Praxisbeispiel

Wie ein Tennisball dein Kreuzband gefährden kann und wie wir das verhindern können! Inputprobleme und Sportverletzungen

Kommt ein Gegenstand in hoher Geschwindigkeit direkt auf mich zugeflogen, gibt es für mein Gehirn nur eine Frage: Bin ich in der Lage diesen zu fangen bzw. abzuwehren oder nicht. Die Entscheidung wird im Bruchteil einer Sekunde getroffen. Falls die Entscheidung Nein lautet, dann löst das Gehirn sofort einen Beugereflex aus, um nicht getroffen zu werden. Dieser Reflex schützt die lebenswichtigen Organe, gefährdet aber gleichzeitig die Gelenke der Extremitäten (Arme, Beine), da er alle Flexoren (Beuger) aktiviert und alle Extensoren (Strecker) deaktiviert und somit die reflexive Grundspannung der Muskeln aufhebt.

Nun zum Tennis. Während Spitzenspieler dank ihrer sehr guten visuellen Aufnahme- und Verarbeitungsfähigkeit, ihrer ausgeprägten räumlichen und körperlichen Wahrnehmungsfähigkeit etc. in der Lage sind, millimetergenau auszurechnen, wann und wo der Ball ihren Schläger bzw. sie den Ball treffen werden, können sie die Körperspannung unbewusst aufrechterhalten.

Beugereflex

Sind diese Fähigkeiten eingeschränkt, kann sich ein Spieler bzw. sein Gehirn nicht ganz sicher sein, wo der Ball seinen Schläger nun treffen wird, oder ob dieser vielleicht nicht doch auch ihn treffen könnte. Das Gehirn löst dadurch unbemerkt einen Schutzreflex aus. Die negative Folge: der Bewegungsablauf wird suboptimal und aufgrund der fehlenden reflexiven Grundspannung erhöht sich die Belastung auf die Gelenke um ein Vielfaches. Schmerzen in den Schultern, Knien etc., bis hin zu schwerwiegenden Verletzungen können daraus resultieren.

Was tun?

Ein Tenniscoach erkennt die Fehlhaltung seines Spielers im Treffpunkt. Er weist nun während des Trainings seinen Spieler jeweils darauf hin; Bleib stabil! Er arbeitet im Kraftraum intensiv an der Rumpfstabilität des Athleten und kontrolliert per Video eine mögliche Verbesserung. Mit diesen Massnahmen versucht er, den Output bewusst zu verbessern. Da das Problem aber, wie beschrieben, einen unbewussten, reflexiven Vorgang darstellt, wird der Spieler trotz aller Anstrengungen immer wieder Probleme haben, sobald er seine Aufmerksamkeit nicht auf die Körperspannung richtet. Da ein Tennisspieler in einem Match weit mehr zu tun hat, als den Fokus auf seine Körperspannung zu richten, wird er immer wieder daran scheitern.

Als Neuroathletik-Trainer verfolgen wir einen anderen Lösungsansatz. Wir konzentrieren uns auf den Input. Durch eine gezielte Analyse stellen wir fest, in welchem System Mängel vorhanden sind. Visuelle Aufnahme, visuelle Verarbeitung, Körperwahrnehmung, Gleichgewichtsfähigkeiten, Kleinhirn- und Stammhirnaktivität etc.? Diese werden dann gezielt und spezifisch rehabilitiert und in den sportartspezifischen Ablauf eingebaut. Ist uns dies gelungen, kann sich der Spieler auf seine reflexive Körperspannung verlassen und seinen Fokus auf andere matchentscheidende Faktoren legen. Die Verletzungsgefahr reduziert sich und die Belastungsfähigkeit steigt.

Dieser Ablauf am Beispiel eines Tennisschlags lässt sich natürlich auf beinahe alle Sportarten übertragen, denn in fast all diesen ist eine reflexive, stabile Grundposition ein essentieller Bestandteil eines optimalen Bewegungsablaufes.

Wenig überraschend ist, dass die visuellen Fähigkeiten, die Gleichgewichtsfähigkeiten, eine sehr gut ausgebildete Auge-Hand-Koordination sowie die räumliche- und die eigene Körperwahrnehmung jene Parameter sind, welche Elitesportler aus den verschiedensten Sportarten verbinden. Überraschend ist jedoch, dass diesen Fähigkeiten im täglichen Training und vor allem in der Diagnostik sehr wenig Beachtung geschenkt wird. Noch!

Polysportives Training, nicht nur, aber besonders für Kinder, ist eine äusserst sinnvolle Massnahme, um möglichst wenig Inputdefizite entstehen zu lassen.